Meine Einleitung:

Veröffentlicht am 12. August 2025 um 20:35

Es sind aktuell wieder einmal fast 30 °C, ich sitze hinter geschlossenen Rollläden, die Blätter der Bohne haben sich bereits mit der hellen Seite nach oben gedreht. Man beobachtet, dass flachwurzelnde Sträucher wie Haselnuss und Felsenbirne fast gänzlich ihre Blätter verloren haben. Die langanhaltende Trockenperiode und Hitze sortiert gnadenlos aus.
Nun rücken vermehrt Pflanzen ins Licht, die sich als wahre Trockenkünstler erweisen und fügen sich wunderschön in unseren Gärten ein – Arten, die man zuvor vielleicht nicht im Blick hatte. Beispielsweise begeistert mich der Steppensalbei im Staudenbeet mit Hartnäckigkeit. Er trotzt dem und erstrahlt in lila Blütenpracht. Und solange es blüht, wird es auch weiter beruhigend summen.

In Bezug auf den Klimawandel spricht man häufig von Verlust, aber es gibt sowohl bei den Pflanzen, als auch bei den Insekten immer wieder willkommene Neuzugänge bzw. Gewinner der wärmeren Temperaturen. Heute habe ich mich beispielsweise gefreut, eine bläulich schimmernde Holzbiene in unseren Garten gelockt zu haben – zugewandert aus dem Mittelmeerraum, begnügte sie sich an den kleinen Lippenblütlern. Einige Arten hingegen werden sich wohl leider etwas aus dem Stadtbild zurückziehen. Dies betrifft sowohl heimische Gewächse als auch zugewanderte Arten. Denn angesichts von Beton, Asphalt und anderen Belastungen lässt sich wohl ein gewisser Austausch nicht vermeiden und muss vielleicht auch kein Grund der Enttäuschung sein, sondern eine neue Möglichkeit der Verbesserung, wählen wir klug aus.

 

Heimvorteil: 

In erster Linie gilt, wo immer es möglich ist, sollten vorwiegend heimische Gewächse unsere erste Wahl sein. Sie sind tief in die Ökosysteme eingebunden, viele Insekten und andere Lebewesen hängen direkt von ihnen ab – manchmal bis ins kleinste Detail. Ohne ihren heimischen Partner würden viele Arten verloren gehen, oder sind es bereits für immer. [Zahlenbeispiel: in Deutschland sind bereits 40 Wildbienenarten ausgestorben, über die Hälfte der rund 560 Arten sind als gefährdet eingestuft]

Umso wichtiger ist es, gezielt solche Pflanzen auszuwählen, welche wir vielleicht aus Gewohnheit heraus aus der heimischen Flora nicht in das Stadtbild übernommen haben. Wer kennt schon die Elsbeere. Ein scheinbar vergessener heimischer Laubbaum mit überzeugender Trockentoleranz. Außerdem ein wichtiges Nährgehölz in Bezug auf Blüten und Früchte und bieten zudem auch uns schmackhafte Alternativen für das Müsli. Tatsächlich eignet sich auch das Holz für Möbel und Instrumentenbau hervorragend. 

 

Zugewanderte Pflanzen:

können sensible Lebensräume so stark verändern und breiten sich invasiv aus, sodass andere Arten verschwinden. Manche eignen sich dennoch als wertvolle Ergänzungen – etwa als zusätzliche Nahrungsquelle für nicht spezialisierte Insekten und andere Tiere aufgrund ähnlicher Blütenformen, als Schattenspender, Luftverbesserer oder einfach Stimmungsaufheller, besonders unsere Lieblinge im Garten :) Ein Beispiel: Als neuer Klimazukunftsbaum gilt die Esskastanie, die aus dem Mittelmeerraum stammt, aber schon seit der Antike gezielt kultiviert wird. Sie könnte in manchen Städten die Rosskastanie ersetzen, die wir vielleicht sogar für heimisch halten, deren Ursprung aber tatsächlich in der Balkanregion liegt. Man merkt es ist ein spannender Prozess. Eines ist dabei besonders wichtig - der Moment darf nicht verpasst werden. So können wir neue „Künstler“ ins Rennen schicken, welche den Kampf in unserer Dunstwolke antreten, uns im Sommer herunterkühlen und die Lebensqualität im städtischen Raum erhalten. Denn die Pflanzung eines Baumes prägt seine Umgebung über Generationen hinweg.

Und der Wald?:

In der Stadt sind wir gezwungen, bewusst auszuwählen, was unter immer extremeren Bedingungen gepflanzt werden soll. Im Wald dagegen stellt sich die Frage anders: Ich denke dort können wir lernen, wie sich Ökosysteme fast von allein anpassen und wiederherstellen, mit etwas Starthilfe und wenn wir nicht zu stark eingreifen. In Neuseeland habe ich zum ersten Mal bewusst einen „wirklichen Wald“ erlebt – und gleichzeitig mit einem enttäuschten Blick an meine Heimat gedacht. Der Wald dort schien wellig zu sein, es gab keine Möglichkeit einfach hindurch zu laufen, was an der Pflanzenvielfalt lag, aber vor allem auch am Totholz. Es formt die Landschaft mit. Bäume wachsen auf umgefallenen Bäumen und so führt sich das fort. Ich nehme an dies wird einer der Faktoren sein, ob ein Wald brennt oder nicht. Denn so ein Stück Holz am Boden ist ein enormer Wasserspeicher, liegt es da erstmal eine Weile. Es funktioniert wie ein Schwamm.
Natürlich lässt sich ein solcher Urwald nicht flächig auf Deutschlands Wälder übertragen. Aber auch bei uns, selbst in forstwirtschaftlich genutzten Wäldern lässt sich einiges wunderbar aufgreifen und wird zum Teil auch schon umgesetzt. Man beobachtet häufiger Schilder, welche die neuen Praxen erklären.

Solche Gebiete haben übrigens nicht nur ökologischen Wert: Dort zieht die Natur Massen an Touristen an, während Infrastruktur wie Wanderwege, oder Campingplätze, gezielt bereitgestellt werden. Man findet mitten im Wald, völlig überraschend, ein Klo. Es ist so angelegt, dass Menschen die Landschaft genießen können, weitestgehend ohne Schaden anzurichten. Die Einstellung dort ist eine andere: Grillplätze und Orte zum Draußensein gibt es selbst in Städten überall und sie werden auch genutzt. In Deutschland hingegen schreibt man auf eine Tafel, dass Wildpinkeln vor allem an Gewässern besser vermieden werden sollte – gleichzeitig gibt es keine andere Möglichkeit, als genau das zu tun. Man merkt, wir können noch einiges verbessern, vieles brauch man nur beobachten und aufnehmen, um von einander zu Lernen.

 

Wir haben das Potenzial zu differenzieren:

in Städten bewusst auszuwählen, was gepflanzt wird, und Wälder sich gleichzeitig entfalten zu lassen und müssen uns immer wieder daran erinnern, Schwarz-Weiß-Denken nicht vorherrschen zu lassen und im Wandel der Zeit zu bleiben.

Schon lange gestalten Menschen ihre Umwelt aktiv – und gerade durch die Schaffung und Nutzung von Kulturlandschaften ist oft erst ein überraschender Reichtum an Lebensräumen entstanden. Sie zeigen uns, worauf wir stolz sein können, und verdeutlichen uns auch, dass wir erneut die Möglichkeit haben, nun vielmehr bewusst positiv einzuwirken: Wenn wir unseren Fokus vom neu geglaubten Reichtum, nur Kapital, hin zu gesellschaftlicher Verantwortung, Vielfalt und Erhalt lenken, können wir nicht nur das, was bereits geschaffen wurde, bewahren, sondern auch aktiv Neues schaffen.

Trockenwiesen etwa – auf den ersten Blick karg – haben durch jahrhundertelange landwirtschaftliche Nutzung eine erstaunliche Vielfalt hervorgebracht: Schmetterlinge, Bienen, Käfer, alles lebt dicht gedrängt zwischen Natternkopf, Wilder Majoran und Flockenblume. Ich vermute, jeder kennt dieses Gefühl von Glück, wenn man in einer solchen Magerwiese sitzt, dem Grillenzirpen lauscht und den Blick schweifen lässt:

Hummeln sausen vorbei, zielstrebig und schwer beladen, auf dem Weg zur nächsten Blüte. Ein Schmetterling flattert ins Licht, und plötzlich scheint alles leicht und vollkommen verständlich. Manchmal entdeckt man dabei etwas, das bleibt: Ein kleiner Thymian-Ameisenbläuling zum Beispiel, der auf einem Thymianpolster ruht – sein gesamter Lebensweg hängt von genau dieser Pflanze und den richtigen Ameisen unter der Erde ab. Ohne Thymian kein Ei, ohne Ameise keine Verwandlung. Überlassen wir solche Plätze ihrem Schicksal, verschwinden sie – und mit ihnen ihre Besucher. Ohne Mahd oder Beweidung wird aus der Wiese schnell Gestrüpp, mit Asphalt… nun ja, man kann immerhin parken, aber leben will dort keiner. Wäre es nicht allzu traurig, würden wir dies zum Preis der ständigen Profitsteigerung opfern?

Wir können nur einen kleinen Teil wirklich gut begreifen. Warum also nicht einfach mehr das tun, was wir gut können – und nicht versuchen, die ganze Welt in den Kopf zu stopfen, wie einen viel zu vollen Einkaufskorb?
Wir haben keine Konzentration mehr – nicht, weil wir sie verlegt hätten, sondern weil man schlicht nicht alles erfassen kann, was um einen herum passiert. Es scheint uns lahm zu legen. Denn wie soll man sich da noch aufs Wesentliche konzentrieren, den eigenen Weg finden, oder auch nur festlegen, was einem wichtig ist? Wir werden nie alles erleben, was die Welt zu bieten hat – aber schon einen klitzekleinen Teil davon zu kennen und zu lieben, ist ein Geschenk. Lernen wir zuzuhören und hinzuschauen – Pflanzen, Tieren und einander – kommen wir uns und der Welt wieder näher und können so viel erreichen.

Leidenschaft kommt nur durch Freude. Und Leichtigkeit verschwindet, verliert man den Blick für das Detail. – Denn jedes kleine Puzzleteil spielt eine Rolle.

Treibt’s bunt! – Eure Gärtnerin in Ausbildung

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